Verstehen und Einsehen - Ein Fragment - Juli 2001

Verstehen und Einsehen

Ein Fragment



Lernen und Verstehen ist ein Zusammenhang, der als selbstverständlich angesehen werden darf. Lernen heißt, einen Sachverhalt so zu studieren, daß man ihn danach „versteht“. Dieser Sachverhalt kann sich auf Gegenstände der sogenannten äußeren Welt beziehen oder auch auf die Welt, die wir „in uns selbst“ – was immer das genau sein mag – bezieht.

Wenn dagegen einer nicht versteht oder gar dieses Verstehen verweigert, gilt er als unbe-lehrbar. In der Schule bekommt er dafür dann die Note fünf (wenn wenigstens noch geringe Hoffnungen auf Belehrbarkeit bestehen) oder die Note sechs (wenn alle Hoffnungen vergebens sind).

Übersehen wird bei dieser Art des Bildungsanspruchs, daß Verstehen selbst keineswegs selbstverständlich ist. Es gibt ganz andere Zugangsarten zur Welt. Sie zu verstehen gelingt nicht über das, was Verstehen sich selbst zu leisten vorgenommen hat und behauptet.
Die nachfolgenden Überlegungen sind eine Annäherung an das, was beim Verstehen ge-schieht. Das „Verstehen“ zu beobachten gelingt – das ist das methodische Problem – nicht durch das, was Verstehen ist. Das Unterfangen kann also nur dadurch begonnen werden, daß bereits vorausgesetzt wird, daß der Verstehensprozeß durch etwas anderes, als was er selbst ist, verstanden werden kann.

In etwas anderer Wendung lautet unsere Arbeitsaufgabe: Welche Vorausentscheidungen sind bereits getroffen worden, wenn etwas „verstanden“ wird? Vorausentscheidungen bestimmen darüber, was überhaupt in den Blick geraten kann – und folglich auch das, was nicht gesehen wird. Aber vielleicht ist „in den Blick geraten“ gerade etwas, was nicht mehr in den Bereich des Verstehens gehört.

Verstehen und Einsehen - ein Fragment (PDF, 36,24 KBytes)

Dr. Bernds Seydel: