Der Auktionator - Drei Miniaturen - Januar 2008

Der Auktionator – Miniatur 1



Was macht der schleichende Holzpanther neben mir? Auf wen wartet der schwarze Elefant? An der chinesischen Großvase klebt das Schild „Verkauft!“ Warum steht sie dann noch hier? Ich schlendere weiter durch einen Raum, der ein Geschäft sein könnte, aber keines ist. „Ständige Auktionen“ verkündet ein Spruchband gut sichtbar für alle, die daran vorbeigehen wollen.

Ich brauche nichts. Aber ich lasse mich einsaugen von einer männlichen Stimme, die ruhig dahinfließt. Im dunklen Anzug steht ER da – er, der Auktionator, dort vorne auf einer Bühne.

Ich weiß nicht, was richtig ist. Darf ich mich setzen? Muß ich mich melden? Auch wenn ich nichts kaufen will? Hoffentlich wirft mich der Elefant nicht raus. Ein blaues Flatterkleid mit einem hübschen Mädchen drin bringt IHM den Bilderrahmen, der eine Frau umrinnt. Ich spüre sofort, daß ich ohne kunsthistorische Ausbildung hier falsch sein würde. Der Mann spricht. Das Kleidchen wartet neben den Kulissen. Woran denkt das Mädchen? Menschen um mich herum heben einen Arm, Zahlen fliegen, Hammerschläge, das kleine Blaue flattert wieder vor und nimmt die Frau mit.

Ich brauche keine Rahmenfrau, will kein Mädchenkleid – Auktionen sind schwer zu durchschauen.



Der Auktionator – Miniatur 2



Eine Provinzhauptstadt in Franken, eine unbedeutende Straße, dort ein Ladengeschäft, darin Stühle, Podest, ein Auktionator – keine Besucher. Doch halt: Einer hat sich den Eckplatz gewählt, noch streben Verspätete herein, Mutige haben schließlich Platz genommen.

Hausrat der frommen Denkungsart wird aufgerufen: Engelsköpfe, kleine Kreuze, große Kreuze, weiße Deckchen mit Engeln, rote Deckchen mit Maria, ein Weihwasserbecken. Ich döse wie immer, wenn heiliges Gebimmel mich bedrängt.

Doch da schrecke ich auf: Hoch hält der Auktionator ein Bild: der Papst. Der Papst ist aufgerufen worden. Der Papst wird versteigert. Unser, nein deren Papst sucht einen neuen Eigentümer. Seine Milde strömt über die Kaufunlustigen, sucht deren Geldbörsen und kann doch nichts wirken. Ein klägliches Gebot steht im Raum. „Für den Papst muß mehr geboten werden!“ ruft der Auktionator und schleudert Augenblitze. Ich flüchte vor so viel heiligem Zorn.

Am nächsten Morgen schlage ich die örtliche Tageszeitung auf: „Für den Papst muß mehr geboten werden!“ ruft mir die Überschrift entgegen. „Das Höchstgebot“ jubelt der Text darunter. Ein guter Auktionator, ein wirklich guter.



Der Auktionator – Miniatur 3



Alles ist kühl: die Wände, der Raum, die Blicke. Einige geschäftlich-ernüchterte Halbmanager haben wenige Plätze besetzt. Ein aufgeregtes Ehepaar zeigt sich Fotos. Mein Platz ist gleich hinter der Tür, ich möchte nur Beobachter sein.

Der Herr betritt mit Akten unter dem Arm den Raum, strebt zur Tischreihe vorn, nimmt Platz und damit Raum ein. Die knappe Begrüßung ist geübt, aber nicht herzlich. Schriftmappen werden geöffnet, Formales wird formell vorgelesen, eine kleine Wohnung in Innenstadtnähe ist im Angebot. Die Manager haben eine lässige Sitzhaltung eingenommen nach dem Motto: „Ich höre?“ Der Amtliche nennt eine Zahl. „Wer bietet mehr?“ Niemand. Es bleibt still. Eine knappe Ewigkeit wird gewartet. Viel später sagt die Ehefrau dreißigtausend. Eine riesige Summe für diesen stillen Gerichtssaal. „Zum Ersten, zum Zweiten und zum Dritten – wer bietet mehr?“ Der Beamte blickt kühl. Und wiederholt: Zum Dritten – wer bietet mehr?“ Ein Blickloser hebt zwei Finger: „Zweiunddreißig“. Die Tausender sind für ihn nicht mehr erwähnenswert.

Das Ehepaar schaut sich an. Er schüttelt den Kopf, sie senkt ihn. Zum dritten mal zum Dritten. – Irgend etwas war heute anders als sonst.

Veröffentlicht in der Zeitschrift “Malleus” 2008, Erfurt